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Gelungener Auftakt zum Meinungs­bildungsprozess „Unternehmens­mitbestimmung auf katholisch“

Bericht vom Fachtag „Unternehmensmitbestimmung und kirchliche Einrichtungen“ am 16. April 2024 in Frankfurt am Main

Unternehmensmitbestimmung in kirchlichen Einrichtungen – vom Gesetzgeber nicht vorgesehen und trotzdem erwägenswert? Die Katholische Kirche und ihre Caritas sehen sich mit veränderten Erwartungen von Politik und Gesellschaft, aber auch mit einer sich wandelnden Arbeitswelt konfrontiert. Zudem inspiriert der Partizipationsgedanke in der Vorstellung einer Dienstgemeinschaft von gemeinsam Gestaltenden und Verantwortenden zu einer Beteiligung von Mitarbeitenden in Aufsichtsbelangen. So ist auch in den Bischöflichen Erläuterungen zur Grundordnung des kirchlichen Dienstes von November 2022 ein Prüfauftrag hinsichtlich der Unternehmensmitbestimmung enthalten.

Vor diesem Hintergrund initiierte die Dienstgeberseite der AK Caritas einen Meinungsbildungsprozess zum Thema Unternehmensmitbestimmung im kirchlich-caritativen Bereich. Ein entsprechender Fachtag am 16. April 2024 in Frankfurt am Main bot hierfür die Plattform. Eingeladen waren Dienstgebervertreter der Caritas und der (Erz-)Diözesen aus ganz Deutschland.

Unternehmensmitbestimmung im weltlichen Bereich

Als erste Referentin führte Annette Rölz, Rechtsanwältin und Local Partnerin bei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, kurz und prägnant in die Unternehmensmitbestimmung im weltlichen Bereich ein. Dabei erläuterte sie die rechtlichen Aspekte, betonte aber auch die Auswirkungen der weitreichenden Regelungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Sie startete mit einer klaren Abgrenzung der Unternehmensmitbestimmung von der betrieblichen Mitbestimmung: Unternehmensmitbestimmung bezeichnet die Einflussnahme der Betriebsangehörigen auf unternehmerische Entscheidungen im Aufsichtsrat – also dem Kontroll- und Beratungsgremium eines Unternehmens. Verschiedene gesetzliche Normen regeln, wie diese Einflussnahme zu gestalten ist, sie alle finden jedoch keine Anwendung auf konfessionelle oder karitative Unternehmen. Für weltliche Unternehmen wie Aktengesellschaften oder GmbHs, die mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigen, ist ein paritätisch mit Arbeitnehmervertretern und Anteilseignern besetzter Aufsichtsrat verpflichtend. Bei Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern muss der Aufsichtsrat zu einem Dittel aus Arbeitnehmervertretern besetzt sein. Dabei gilt der Grundsatz: Arbeitnehmer haben im Aufsichtsrat die gleichen Rechte und Pflichten wie Anteilseigener.

Unternehmensmitbestimmung im Bereich der Diakonie

Anschließend folgte Dr. Max Mälzer, Stellvertretender Geschäftsführer und Bereichsleiter Arbeits- und Tarifrecht beim Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland e.V., mit einer Darstellung der Unternehmensmitbestimmung im Bereich der Diakonie. Er hob zunächst hervor, dass durch die Gemeinnützigkeit der karitativ-tätigen Unternehmen der „ursprüngliche Konflikt zwischen Kapital und Arbeit“ nicht bestehe. Die Gemeinnützigkeit sei der gesetzliche Schutz vor Kapitalinteressen von Anteilseignern. Das Ziel der Unternehmensmitbestimmung – die Absicherung der sozialen Komponente bei der Erarbeitung und Realisierung der Unternehmenspolitik – laufe hier also ins Leere. Dennoch existiere seit 2017 für die Diakonie eine „Verbandsempfehlung“ zur Unternehmensmitbestimmung, die voraussichtlich Ende 2024 in eine Rahmenbestimmung überführt wird. Unternehmensmitbestimmung findet bereits jetzt bei 28 Prozent der diakonischen Unternehmen statt. Mälzer betont die enorme Rechtsformvielfalt in der Diakonie, die eine verpflichtende Regelung für alle erschwere. Erhöhung der Transparenz und Sicherung des Betriebsfriedens seien jedoch Gründe dafür, dass immer mehr diakonische Unternehmen den Weg der Unternehmensmitbestimmung bereits freiwillig einschlagen und erfolgreich leben.

Chancen und Herausforderungen von „Unternehmensmitbestimmung auf katholisch“

Wie genau „Unternehmensmitbestimmung auf katholisch“ aussehen kann und welche Chancen und Herausforderungen hierbei bestehen, diskutierte der Geschäftsführer der Geschäftsstelle der Dienstgeberseite Marcel Bieniek mit der Vorständin des Deutschen Caritasverbandes Dr. Susanne Pauser, Dr. Regina Mathy vom Verband der Diözesen Deutschlands und Annette Rölz.

Dr. Susanne Pauser schilderte zunächst ihre persönlichen positiven Erfahrungen mit Unternehmensmitbestimmung und plädierte für „mehr Aufsicht“: Vor dem Hintergrund, dass sich die wirtschaftliche Situation vieler Dienste und Einrichtungen in katholischer Trägerschaft in Zukunft wahrscheinlich verschärfen wird, sei es eine zentrale Aufgabe des Trägers, für qualifizierte Aufsichtsstrukturen in seinen Einrichtungen Sorge zu tragen. Die Einbeziehung der Mitarbeiterperspektive steigere dabei die Qualität von Aufsichtsgremien.

Dr. Regina Mathy gewährte den Teilnehmenden am Fachtag vertieften Einblick in die Überlegungen der Bischöfe. So soll sich die eingesetzte Arbeitsgruppe im Zuge der aktuellen Novellierung der Rahmen-MAVO neben den Fragen der betrieblichen Mitbestimmung auch des Themas Unternehmensmitbestimmung annehmen. Diese Auftragserweiterung wird in den kommenden Wochen abgestimmt. Auf dieser Grundlage werde die Arbeitsgruppe sodann die inhaltliche Arbeit zu diesem Thema aufnehmen. 

Bei der regen Diskussion der Fachtagsbesucher über das Für und Wider einer Unternehmensmitbestimmung im kirchlich-caritativen Bereich und einer möglichen Ausgestaltung wurde klar: Die Vielfalt der beim Fachtag vertretenen Träger aus der gesamten Bundesrepublik spiegelte bereits die Pluralität der Caritaswelt wider, die bei der Suche nach Umsetzungsmöglichkeiten berücksichtigt werden muss. So war dieser Fachtag erfolgreicher Anstoß und Auftakt zu einem anstehenden breiten Diskurs in der Caritas.

 

Text: Sylvia Lutz-Munder

  

  

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